Schulterprothese – Künstliches Schultergelenk
Wenn die Gelenkoberflächen des Schultergelenkes irreparabel geschädigt sind, die Funktion eingeschränkt ist und konservative Behandlungsmöglichkeiten oder gelenkerhaltende Operationen nicht erfolgsversprechend sind, kommt die Implantation eines künstlichen Gelenkersatzes in Frage. Die Art des Schulterprothesenmodells richtet sich nach dem Ausmaß und der Lokalisation des Schadens. Ein vollständiger Gelenkersatz (Totalendoprothese) ersetzt mit dem Oberarmkopf (Caput humeri) und der Gelenkpfanne (Glenoid) beide Anteile des Glenohumeralgelenkes. Ein Teilersatz (Hemiprothese) erneuert lediglich den Oberarmkopf. In den meisten Fällen erfolgt die Implantation einer Schulter-Totalendoprothese (Schulter-TEP) bei fortgeschrittener, schmerzhafter Schulterarthrose (Omarthrose) oder/und chronischen Rissen der Rotatorenmanschette. Die Hauptziele der prothetischen Versorgung sind in jedem Fall eine Linderung der Schmerzsymptomatik sowie die bestmögliche Wiederherstellung der Schulterfunktion.
Anatomie des Schultergelenkes
Die Schulter besteht aus zwei verschiedenen Gelenken: Das glenohumerale Gelenk verbindet den runden Humeruskopf mit der Gelenkpfanne (Glenoid). Das Schulter-Eckgelenk – akromioklavikulares Gelenk – ist für die Beweglichkeit der Schulter zwischen Schlüsselbein (Clavicula) und Schulterdach (Akromion) verantwortlich.
Das Glenohumeralgelenk ist das beweglichste Gelenk des menschlichen Körpers. In Form eines Kugelgelenks besteht es aus einer Gelenkpfanne (Glenoid) und einer Gelenkkugel, dem Kopf des Oberarms (Humerus). Beide Gelenkflächen sind von schützendem Gelenkknorpel bedeckt. Dieser dient als Stoßdämpfer und ermöglicht ein optimales Gleiten des Gelenkes. Die Gelenkpfanne der Schulter ist eher flach ausgebildet und fasst lediglich einen geringen Anteil des Humeruskopfes. Daher wird das Gelenk hauptsächlich von Muskeln fixiert. Hieraus resultiert der regulär sehr große Bewegungsumfang des Schultergelenkes. Dies bedeutet jedoch auch eine erhöhte Anfälligkeit für Ausrenkungen (Luxationen) und Verletzungen.
Voraussetzung dafür, dass das Gelenk gut funktioniert, ist ein intakter Weichteilmantel. Das Schultergelenk ist von einer stabilisierenden Gelenkkapsel umgeben. Die fixierende Muskulatur des Schultergelenkes besteht aus einer inneren Schicht, der Rotatorenmanschette, welche zentral für die Führung und Stabilisierung des Schultergelenks sorgt und einer äußeren Schicht, dem Deltoideus-Muskel. Des Weiteren sind ein schwach ausgebildeter Bandapparat sowie diverse Schleimbeutel (Bursae) vorhanden. Letztere dienen ebenfalls als Puffer und Gleitschicht. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Gelenk verlaufen Nerven und Gefäße, die den Arm versorgen.
Welche Schädigungen des Schultergelenkes können vorliegen?
Als häufigste Ursache für die Implantation einer Schulterprothese gilt die schmerzhafte fortgeschrittene Abnutzung des Schulter-Gelenkknorpels (Omarthrose) sowie der Verlust der Passform des Gelenkkopfes durch eine zunehmende knöcherne Anlagerung an den Gelenkrändern (Osteophyten). Weitere Ursachen für eine Gelenkzerstörung können auch entzündliche Erkrankungen, wie eine chronische rheumatische Polyarthritis, Durchblutungsstörungen bis zum Absterben (Nekrose) des Humeruskopfes, Frakturen mit Gelenkbeteiligung, chronische und nicht anderweitig therapierbare Schulter-Instabilitäten durch Luxation oder vor allem ausgedehnte irreparable Sehnenrisse der Rotatorenmanschette sein. Insbesondere letztere sorgt abhängig vom geschädigten Hauptanteil der Sehne für eine massive Bewegungseinschränkung und Instabilität der Schulter.
Wann wird eine Schulterprothese implantiert?
Wenn das Gelenk großen Schaden genommen hat und jegliche konservative, nicht operative, Behandlungsmethoden ausgeschöpft sind sowie Operationen, die das Gelenk erhalten sollen, keinen gewünschten Erfolg erzielen, wird über die Indikation zur Implantation einer Schulterprothese gesprochen.
Chronische Schmerzsymptomatik und Bewegungseinschränkungen bis hin zu Versteifung der Schulter können die Lebensqualität der Patienten enorm belasten, welches ebenfalls einen wichtigen Indikator zur operativen Therapie darstellt. Je mehr die Schulter versteift und je mehr sich die Sehnen im Rahmen der Bewegungseinschränkung verkürzen, umso anspruchsvoller wird die postoperative Nachbehandlung, um den bestmöglichen Bewegungsrahmen wiederherzustellen. Daher ist auch ein angemessener Operationszeitpunkt entscheidend für den postoperativen Behandlungserfolg.
Wie wird die Indikation zur Implantation einer Schulterprothese gestellt?
Nach einer ausführlichen Anamnese, in welcher die aktuellen Beschwerden und die Vorgeschichte des Patienten erhoben wird, erfolgt eine gründliche klinische Untersuchung der Schulter. In erster Linie werden konventionelle Röntgenaufnahmen in verschiedenen Projektionen angefertigt. Zur Beurteilung des Zustandes der Rotatorenmanschette kann eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie) erfolgen. Zusätzlich werden weitere radiologische bildgebende Verfahren wie eine CT (Computertomographie) zur genauen knöchernen Beurteilung oder eine MRT (Magnetresonanztomographie) zur Inspektion der Bandstrukturen eingesetzt. Anhand dieser stellt die ärztliche Seite nun die Diagnose und bespricht das mögliche Procedere mit dem Patienten. Sind konservative und operative gelenkerhaltende Behandlungsmethoden bereits ausgeschöpft bzw. nicht möglich, der Schaden des Schultergelenkes jedoch irreparabel ausgedehnt, stellt der Arzt die Indikation zur Implantation einer Schulterprothese. Je nach Grad der Schädigung des Gelenkes und Lokalisation der beschädigten Strukturen kommen unterschiedliche Prothesenformen infrage.
Steht der Entschluss für die Implantation einer Schulterprothese, plant der Operateur nun anhand der radiologischen Befunde und Beschwerden patientenindividuell das operative Vorgehen.
Welche Formen von Schulterprothesen gibt es?
Je nach Ausmaß des Schadens und Lokalisation stehen verschiedene Implantate zur Verfügung. Wird nur der Humeruskopf ersetzt, spricht man von einer Hemiprothese. Der Ersatz von Gelenkpfanne (Glenoid) und Humeruskopf wird Totalendoprothese (TEP) genannt. Es werden im Wesentlichen drei Systeme verwendet: Die anatomische Schulter-TEP, der reine Oberflächenersatz (ohne Implantation eines Schaftes) und die inverse Schulter-TEP. Je nach Alter, Allgemeinzustand der Patienten und der Knochenbeschaffenheit besteht die Möglichkeit, die Schulterprothese zementfrei oder zementiert zu verankern. Die Materialien der Schulter bestehen meist aus Metall oder Titan. Eine weitere häufige Komponente stellen Kunststoffmaterialien (Polyethylen) dar.
Der Oberflächenersatz
Konventionell wird eine Schulterprothese über einen Schaft im Oberarmknochen (Humerus) verankert. Bei einem Oberflächenersatz wird dagegen lediglich eine Metallhalbkugel ohne Schaft am Humeruskopf fixiert. Das Implantat kann sowohl im Rahmen einer Teilprothese als auch als TEP verwendet werden. Das Verfahren ist besonders knochensparend und ermöglicht auch bei einem erneuten operativen Wechsel der einliegenden Prothese eine feste knöcherne Verankerung der neuen Prothese. Daher ist ein Oberflächenersatz vor allem bei relativ jungen Patienten indiziert. Der Sehnenapparat und die anatomischen Verhältnisse werden im Rahmen dieser Operation beibehalten.
Die anatomische Schulterprothese
Durch eine anatomische Schulterprothese wird die ursprüngliche Anatomie des Schultergelenkes unter gleichzeitiger Schonung des Sehnenapparates der Rotatorenmanschette bestmöglich wiederhergestellt. Die Oberfläche des Humeruskopfes wird durch eine metallene Halbkugel ersetzt und mit einem Schaft im Knochen verankert. Die andere Gelenkfläche, das Glenoid, wird durch ein Kunststoff-Inlay erneuert.
Dieses Verfahren kommt z.B. bei einer Gelenkzerstörung mit unbeschädigter Rotatorenmanschette (Sehnenkappe) und einer guten Muskelfunktion als Hemi- oder Totalprothese zum Einsatz.
Die inverse Schulterprothese
Bei deutlich fortgeschrittener Schädigung des Knorpels und der Rotatorenmanschette, ist die Implantation einer inversen Schulter-TEP angebracht. Neben einer nahezu schmerzfreien Beweglichkeit der Schulter, soll sie vor allem die ausreichende Stabilität bieten, die die lädierte Rotatorenmanschette nicht mehr garantieren kann.
Die inverse oder auch umgekehrte Schulterprothese gilt als Sonderform des künstlichen Gelenkersatzes. Hierbei wird die Anatomie der beiden Gelenkpartner des Glenohumeralgelenkes umgekehrt, um Gelenkkopf und -pfanne dauerhaft zu zentrieren. Die Gelenkpfanne des Schulterblatts wird demnach durch eine künstliche Halbkugel ersetzt und der Humeruskopf durch eine künstliche Gelenkpfanne erneuert.
Durch diese Veränderung der ursprünglichen Gelenkmechanik verschiebt sich der Drehpunkt im Schultergelenk und der kräftige Deltoideus-Muskel übernimmt die aktive Schulterbeweglichkeit. Er kompensiert die fehlende Funktion der defekten Rotatorenmanschette. Die Betroffenen sind somit wieder in der Lage, den Arm anzuheben.
Im Fall eines Prothesenwechsels, eignet sich diese Form auch besonders als Revisionsprothese.
Wie läuft die Implantation einer Schulterprothese ab?
Zunächst wird der Patient umfassend präoperativ auf die Operation vorbereitet. Das umfasst eine ausführliche Aufklärung, Blutentnahmen, ggf. weitere radiologische Untersuchungen und die Planung des stationären Aufenthaltes.
In der Regel erfolgt die Operation in allgemeiner Vollnarkose und dauert je nach Umfang des Eingriffes ungefähr eine bis in selteneren Fällen zwei Stunden. Es gibt verschiedene Zugänge
, über die die Operation erfolgt. Üblicherweise eröffnet der Operateur das Schultergelenk unterhalb des Deltamuskels. Nach dem Hautschnitt wird dieser beiseitegeschoben und es erfolgt die schichtweise Präparation bis zum Schultergelenk. Hierbei wird darauf geachtet, intakte Sehnenstrukturen so gut wie möglich zu erhalten. Das Gelenk wird nun vorsichtig luxiert. Bei einem Oberflächenersatz wird nun der Humeruskopf geglättet und eine passgenaue Halbkugel verankert. Bei einer anatomischen Prothese wird dazu der Markraum eröffnet und so weit vorbereitet, dass die Prothese über einen Schaft sicher im Humerusknochen Halt findet. Der Operateur entscheidet anhand des Alters, der Knochenbeschaffenheit und des Allgemeinzustandes des Patienten, ob die Prothesenkomponente zementiert wird oder nicht zementfrei eingebracht wird.
Im Rahmen eines totalendoprothetischen Gelenkersatzes wird nun die Gelenkpfanne präpariert und die endgültige Größe der einzelnen Prothesenkomponenten bestimmt. Anschließend wird eine Probeprothese eingesetzt, das Gelenk umfassend bewegt und auf zureichende Stabilität überprüft. Anschließend wird die endgültige Prothese eingesetzt. Bei der inversen Schulter-TEP ist die Biomechanik der einzelnen Gelenkkomponenten umgekehrt.
Nun werden die Teile des Sehnenapparates, die für den operativen Zugang gelöst wurden und rekonstruiert werden können, wieder befestigt und schichtweise der operative Zugang verschlossen. Dazu können Drainagen eingelegt werden, die in den ersten postoperativen Tagen Wundflüssigkeit abtransportieren. Die Patienten befinden sich üblicherweise für ungefähr 5 Tage in stationärer Behandlung. In diesem Rahmen erfolgen regelmäßige Wundkontrollen, Entfernen einliegender Drainagen, bedarfsangepasste Schmerzmedikation, Physiotherapie, eine abschließende postoperative Röntgenaufnahme und klinische Verlaufskontrollen. Dazu kann eine medikamentöse Thromboseprophylaxe erfolgen.
Nachbehandlung & Rehabilitation
Bereits am ersten Tag nach der Operation erfolgen frühmobilisierende physiotherapeutisch geführte erste Bewegungsübungen. Der Arm sollte zunächst nicht belastet werden. Je nach Operationsumfang, einliegendem Prothesenmodell und Integrität der weiteren Strukturen kann der Operateur zunächst einen limitierten aktiven oder passiven Bewegungsrahmen der Schulter festlegen. Dazu kann ggf. eine Rehabilitation nach ca. 6-8 Wochen geplant werden.
Nach Entlassung in die ambulante Weiterbehandlung erfolgt das weitere Procedere entsprechend einem den Patienten vorab ausgestellten individuellen Nachbehandlungsplan. Die weiteren klinischen Verlaufskontrollen, Anpassung der Schmerzmedikation, Rezepte für Physiotherapie und Entfernen des Nahtmaterials (nach ca. 12-14 Tagen) erfolgt üblicherweise in fachärztlichem Rahmen. Nach ungefähr 6 Wochen erfolgt eine Wiedervorstellung in der OPND zur klinischen und radiologischen Kontrolle.