Patellaluxation – Kniescheibeninstabilität – MPFL-Plastik
Die Kniescheibe (Patella) ist als scheibenförmiger Knochen in die Sehne der Quadriceps-Muskulatur eingebettet und stellt das größte Sesambein des menschlichen Körpers dar. Die Patella liegt schützend vor dem Kniegelenk, grenzt an dessen Gelenkflächen und verbessert unter anderem die Kraftentwicklung der anliegenden Muskulatur.
Unter anatomisch regelrechter Lage verläuft sie zum Kniegelenk hin in dreieckiger Form durch eine v-förmige Rinne (Trochlea oder auch Gleitlager). Nun kann es sein, dass die Kniescheibe infolge starker äußerer Krafteinwirkung, einer Verdrehung oder auch anlagebedingt (habituell), aus ihrer vorgesehenen Rinne ausrenkt, also luxiert.
Die Kniescheibenluxation erfolgt meist zur Knie-Außenseite (lateral) und ist in den meisten Fällen sehr schmerzhaft.
Bei einer Patellaluxation kommt es zu Verletzungen der Bänder an der Innenseite des Kniegelenkes oder des Knochens, teilweise entstehen auch Knorpelschäden. Sind die Halteapparate der Kniescheibe beschädigt, kommt es zu einer Kniescheibeninstabilität. Nicht selten führt eine erste Kniescheibenluxation zu weiteren (rezidivierenden) Luxationen.
In vielen Fällen gleitet die Kniescheibe sofort wieder selbst zurück in ihr Gleitlager (Selbstreposition). Allerdings sollte das Knie aufgrund des hohen Verletzungsrisikos der umliegenden Strukturen auch in diesen Fällen anschließend ärztlich untersucht werden.
Wie unterscheiden sich anlagebedingte (habituelle) und traumatische Patellaluxationen?
Eine traumatisch bedingte Kniescheibenluxation tritt als Folge eines Unfalls oder durch ein Verdrehen/ Verrenken des Kniegelenkes auf. In diesem Rahmen kommt es häufig auch zu Begleitverletzungen der Kapsel und stabilisierenden Bänder des Kniegelenkes. Ein Band, dass die Innenseite der Kniescheibe stabilisiert und häufig im Rahmen von Patellaluxationen verletzt wird, ist das mediale patellofemorale Ligament (MPFL). Ist dieses nicht intakt oder in seiner Funktion geschwächt (insuffizient), kommt es zu einer Kniescheibeninstabilität. Die traumatische Kniescheibenluxation kann auch durch bestimmte anlagebedingte Faktoren begünstigt werden.
Bei der habituellen Patellaluxation sorgt eine Fehlform der knöchernen oder weichteiligen Stabilisatoren für eine Luxation der Kniescheibe. Die Fehlform ist entweder angeboren oder erworben und kann beispielsweise als eine zu flache Form der Gleitrinne (Trochleadysplasie) oder X- Beine ausgeprägt sein. Eine Insuffizienz des MPFL verstärkt dann zusätzlich die Instabilität der Kniescheibe. Bei anlagebedingten Ursachen ist das Risiko sehr hoch, dass die Kniescheibeninstabilität dauerhaft fortbesteht und es immer wieder dazu kommt, dass die Kniescheibe aus ihrem Gleitlager rutscht.
Was sind die Symptome einer Kniescheibenluxation?
Insbesondere die erste Patellaluxation ist häufig mit starken Schmerzen verbunden. Gleitet die Kniescheibe nicht unmittelbar wieder zurück in ihre vorgesehene Position, ist die Luxation durch die typische schmerzhafte Verformung des Kniegelenkes zu erkennen.
In den meisten Fällen luxiert die Kniescheibe zur Außenseite (lateral) des Kniegelenkes. Da besonders viel Druck auf die Bänder ausgeübt wird, die die Patella an der Innenseite fixieren, haben Betroffene meist starke Schmerzen an der Kniescheibeninnenseite. Ist der Haltebandapparat verletzt, wird die Kniescheibe spürbar instabil. Die Instabilität führt dazu, dass das Knie bei Bewegung nachgibt.
Als begleitende Symptome treten häufig eine starke Schwellung des Kniegelenkes und ein Bluterguss (Hämatom) durch die Verletzung kleinerer oberflächlicher Gefäße auf. Kommt es zu einem Gelenkerguss oder einer Einblutung in den Gelenkspalt (Hämarthros) verstärkt dies das Druckgefühl innerhalb des Gelenkes und folglich auch die Schmerzen.
Wie sieht die Diagnostik einer Kniescheibeninstabilität aus?
Nach Erhebung der Anamnese und Vorgeschichte, erfolgt eine gründliche klinische Untersuchung. Unterstützend werden Röntgenaufnahmen angefertigt, die ein genaueres Bild über das Gleitverhalten der Patella oder mögliche knöcherne Schäden liefern. Um die Knorpelsituation und mögliche Begleitverletzungen der Bänder genauer zu beurteilen, verschafft eine MRT (Magnetresonanztomographie) Klarheit.
Welche Therapieformen gibt es nach einer Kniescheibenluxation?
Konservativ
Ist klinisch und radiologisch kein wesentlicher Schaden des Kniegelenkes erkennbar, kann eine konservative Therapie (ohne Operation) erwogen werden. In diesem Fall wird die Patella mittels einer entsprechenden Orthese für etwa 6 Wochen stabilisiert. Zusätzlich werden abschwellende Maßnahmen durch Hochlagern, Kühlung, Krankengymnastik, Lymphdrainage, Salben und ggf. Einnahme schmerzlindernder, abschwellender Medikamente eingeleitet.
Operativ
Wenn in den bildgebenden Verfahren schwere Verletzungen des Band-Halteapparates, Knorpelschäden oder freie Gelenkkörper, die durch Abscherungen von Knorpelgewebe entstehen können, erkennbar sind, wird eine operative Therapie erforderlich.
Eine Operation wird aber auch dann empfohlen, wenn es wiederholt zu Kniescheibenluxationen kommt (rezidivierende bzw. habituelle Patellaluxation).
Das Ziel der operativen Therapie ist, gezielt die Ursache der Instabilität zu korrigieren, bereits vorliegende Schäden bestmöglich zu beheben und Folgeschäden des Kniegelenkes zu vermeiden. Je häufiger es zu einer Kniescheibenluxation kommt, umso mehr wächst das Risiko einer frühzeitigen Kniescheibenarthrose, da mit jeder weiteren Luxation der Gelenkknorpel in Mitleidenschaft gezogen wird.
In vielen Fällen ist die Kniescheibeninstabilität auf eine Verletzung oder Insuffizienz (unzureichende Funktion) des MPFL (mediales patellofemorales Ligament) zurückzuführen. Im Rahmen einer sogenannten MPFL-Rekonstruktion bzw. MPFL-Plastik wird die Funktion des Bandes durch ein Transplantat wiederhergestellt.
Was genau ist eigentlich das MPFL?
Das mediale patellofemorale Ligament, kurz MPFL, ist von wesentlicher Bedeutung für die Stabilität der Patella. Insbesondere bei leichtem Beugezustand sorgt das MPFL dafür, dass die Kniescheibe in ihrem Gleitlager bleibt und nicht zur Knie-Außenseite verrutscht.
Das MPFL ist ein kräftiger Sehnenapparat, der dreieck-förmig von der Patella zum innenseitigen Oberschenkelknochen verläuft. Wenn das MPFL verletzt ist, resultiert eine erhebliche Instabilität des Kniegelenkes bzw. der Kniescheibe und das Risiko für erneute Patellaluxationen ist sehr hoch. Um die Stabilität der Kniescheibe wiederherzustellen, ist eine Rekonstruktion des Bandes erforderlich.
Was passiert bei der Operation – MPFL-Rekonstruktion (-Plastik)?
Bei einer MPFL-Rekonstruktion wird die verletzte Bandstruktur zur Wiederherstellung der Kniescheiben-Stabilität anatomisch gerecht durch ein Sehnentransplantat ersetzt. Dieses Transplantat wird üblicherweise durch eine körpereigene Sehne hergestellt, die intraoperativ zunächst entnommen wird und nach entsprechender Präparation anstelle des MPFL anatomisch eingesetzt wird.
Der Eingriff kann sowohl alleinig als auch als mit weiteren operativen Maßnahmen am Kniegelenk kombiniert werden. Letzteres ist insbesondere bei habituellen Patellaluxationen üblich. Über das genaue operative Vorgehen entscheidet der Arzt individuell nach ausführlicher Diagnostik, Sichtung der radiologischen Bildgebung und Einschätzung eines erneuten Luxationsrisikos.
Wie sieht die Durchführung einer MPFL-Rekonstruktion (-Plastik) aus?
Die MPFL-Rekonstruktion ist ein minimal-invasives OP-Verfahren, bei welcher über kleine Schnitte die ideale Anatomie mit Hilfe eines MPFL-Ersatztransplantates wiederhergestellt werden soll.
Die Operation ist sowohl in Allgemein-Narkose, als auch in Spinal-Anästhesie möglich.
Üblicherweise erfolgt zu Beginn des Eingriffes eine diagnostische Arthroskopie (Gelenkspiegelung), bei welcher mittels einer Kamera die Knorpel- und Gelenksituation sowie das Laufverhalten der Kniescheibe inspiziert werden. Während dieser bekommt man eine genaue Übersicht über den Gesamtstatus des Kniegelenkes.
In diesem Rahmen können ebenfalls freie Gelenkkörper entfernt und Knorpel-Aufrauungen oder Meniskusschäden geglättet werden.
Anschließend wird ein etwa 2-3 cm langer Schnitt am oberen kniegelenksnahen Schienbein gesetzt und nach schichtweiser Präparation die Sehne des M. gracilis entnommen. Die Länge dieser Sehne variiert je nach Körperstatur im Normalfall zwischen 22 und 28 cm.
Die Gracilis-Sehne wird nun außerhalb des Körpers präpariert, indem es von Muskelgewebe befreit, entsprechend gekürzt und anschließend an beiden Sehnen-Enden mit Fäden vernäht wird. Um die Sehne anatomisch gerecht zu platzieren, wird nun unter radiologischer Bildwandlerkontrolle der Fixationspunkt des Bandtransplantates am Oberschenkelknochen bestimmt. Anschließend legt der Operateur den Bohrkanal an. Das Sehnentransplantat wird über zwei Verankerungslöcher am medialen Rand der Patella fixiert. Anschließend wird es in Richtung Oberschenkel eingezogen und im Bohrkanal versenkt.
Unter Durchbewegen des Kniegelenkes prüft der Operateur nun die Stabilität des Kniegelenkes bzw. der Kniescheibe und fixiert das Transplantat abschließend mittels einer bioresorbierbaren (sich nach einer Zeit selbst auflösenden) Zuckerschraube.
Wie sieht die Nachbehandlung nach einer MPFL-Rekonstruktion aus?
Die Nachbehandlung wird, je nachdem ob die MPFL-Plastik alleinig oder in Kombination mit weiteren Operationsmethoden kombiniert wurde, angepasst.
Die Patienten erhalten ein Nachbehandlungsschema, in welchem Belastungs- und Bewegungsvorgaben für die nächsten postoperativen Wochen sowie das weitere Procedere festgehalten wurden.
Für die ersten Wochen wird eine anfängliche Belastungsgrenze und Gehen an Unterarmgehstützen festgelegt. Dazu wird das Kniegelenk für ca. 6 Wochen durch eine spezielle Orthese geschützt, mit welcher der Bewegungsumfang limitiert werden kann.
Es ist ebenfalls essenziell, dass das Kniegelenk physiotherapeutisch nachbehandelt wird. Hier erfolgt gezielte Krankengymnastik der Muskulatur, insbesondere der Oberschenkelinnenseite, Bewegungstherapie und schrittweises Auftrainieren der Belastung.